Dienstag, 9. Februar 2021

Alpenüberquerung 9/9 06.08.2017

Alpenüberquerung

Sonntag, 06.08.2017

 

Spontan hatte ich gestern Nachmittag noch den letzten freien Platz im FlixBus von Bozen in die Heimat gebucht. Dann sprang in mir ein Dieselmotor an. Tapfer und unbeirrt wanderte ich wie eine Maschine der Etsch entlang nach Meran, das ich am frühen Abend erreichte. Im Zug nach Bozen sitzend merke ich, wie müde ich eigentlich bin. Und das sollte das dritte große Problem an diesem Tag werden. Die Bozener Bahnhofsgegend, in der ich nun bis 2 Uhr nachts auf meinen Bus warten muss, gefällt mir garnicht. Seltsame Gestalten lungern hier herum. Ich sehne mich zurück in die Einsamkeit der Berge. Doch ich muss wach bleiben. Um die Abfahrt meines Busses nicht zu verschlafen und um nicht im Schlaf ausgeraubt zu werden. Die Minuten werden zu Stunden. Die ganze Woche über hatte ich Traumwetter. Jetzt tobt über der Südtiroler Landeshauptstadt ein Gewitter und kündigt damit eine Kaltfront an. Es wird tagelang regnen. Ich bin todmüde. 54 km wanderte ich in den letzten 20 Stunden sagt mein GPS-Tracklog. Aus dem Tisenbachtal bis nach Meran.

Dann endlich ist der Bus da. Die Fahrt holt mich endgültig aus der Parallelwelt, in der ich in der letzten Woche leben durfte und bringt mich in die Realität zurück. Die Distanz zum wahren Alltag empfand ich als so groß, als hätte ich mich in einem anderen Universum befunden. Mein Walkabout ist vollendet. Was nun kommt, ist der Abspann. Kaum sitze ich auf meinem Platz, dem letzten freien im Flixbus, der aus Ancona kam, übermannt mich die Müdigkeit und Erschöpfung endgültig. Das Ortschild von Bozen passiere ich bereits tief schlafend. Trotz der Enge stören mich die Mitreisenden nicht. Ich fühle mich selbst im vollbesetzten Bus noch so allein und befreit wie während meiner nun abgeschlossenen Wanderunternehmung.

 

 
 
Mein Schlaf ist traumlos. Doch tief in mir durchflutet mich Stolz. Stolz, aus eigener Kraft etwas Großes geleistet zu haben. Und die Erkenntnis reift, dass eine immens intensive Zeit, die meinem bisherigen Leben eine neue Richtung gab, nun definitiv und unvermeidlich zu Ende geht. Als ich am frühen Sonntagmorgen in meinem Heimatort Garmisch-Partenkirchen aus dem Bus steige, bin ich alleine auf den Straßen. Kein Mensch ist an diesem Wochentag und zu dieser frühen Stunde freiwillig auf den Beinen. Wenige Zehnermeter vor meiner Haustüre treffe ich auf die Stelle, an der ich vor acht Tagen zu meiner Alpenüberquerung aufbrach und in eine Seitenstraße einbog. Der Kreis schließt sich an dieser Stelle. "Ein unwichtiger Schritt für die Menschheit, aber ein bedeutsamer für mich..." schießt mir das auf meine Situation abgewandelte Neil Armstrong-Zitat durch den Kopf. Mit dem ersten Schritt vor acht Tagen entließ ich den alten Andreas Kaiser in die Vergangenheit, als neuer Andreas Kaiser kehre ich nun zurück. Bevor ich den Schlüssel in das Haustürschloss stecke, drehe ich mich noch einmal um. Ich blicke sehnsüchtig hinauf zum markanten Gipfel der Alpspitze. Irgendwo dahinter verläuft der Weg nach Meran... Dann begrüßt mich das metallische Klicken des sich drehenden Schließzylinders zurück in der Realität.

Euer Andy!

#meran #bozen #flixbus

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