Montag, 8. Februar 2021

Alpenüberquerung 6/9 03.08.2017

Alpenüberquerung

Donnerstag, 03.08.2017





Nach dem Tiefpunkt der unruhigen Nacht auf der Braunschweiger Hütte erreiche ich mit dem Pitztaler Jöchel (2.996 m NHN) am jungen Morgen einen der - mehr als geographischen - Höhepunkte meiner Alpenüberquerung. Der hochalpine Übergang vom Pitztal in das Skigebiet "Sölden" war mir seit Tagen schwer im Magen gelegen. "Luftig" und "ausgesetzt", diese Adjektive prägten die Beschreibungen der Wegstrecke, wie ich bei der Tourenplanung feststellte. Und genau da muss ich mit meiner Höhenangst hin... In solchen Momenten zweifle ich an der Sinnhaftigkeit meines Walkabouts. Die Steinböcke am Karleskopf teilen meine Sorgen nicht und blicken neugierig und etwas arrogant auf mich Zweibeiner herab. Doch schneller als gedacht ist die Schlüsselstelle durchstiegen. Ohren anlegen und durch, war meine Devise gewesen. Jetzt, am Joch zurückblickend auf die  Braunschweiger Hütte, ist es mir weitgehend unerklärlich, wie ich mich im Vorfeld so stressen lassen konnte. Warum ließ ich dies zu? Anstatt erst einmal abzuwarten und dann zu sehen, was da auf mich zukommt, malte ich mir im Geiste die unmöglichsten Katastrophenszenarien aus. Selbstgemachter Horror! Jetzt, durchflutet von Glückhormonen, steige ich zum Söldener Skigebiet ab. Mich stört dabei weder der Steinschlag, der wenige Meter hinter mir abgeht, dem Auftauen des Permafrost in der kräftigen Morgensonne geschuldet, noch die hässliche Infrastruktur des Skizirkus unter mir.
Per Großraumtaxi durchquere ich mit ein paar E5-Wanderinnen den Rosi-Mittermaier-Tunnel. Den 1.729 dunklen Untertage-Metern möchte ich mich nicht als Fußgänger aussetzen. Die 3 €, die der Taxifahrer pro Person einfordert, sind mehr als fair. Angelehnt an den Fährmann über den Styx hätte ich ihm auch eine kleine Silbermünze gezahlt, so dankbar bin ich für seine unaufdringliche und für mich doch so wichtige Dienstleistung.

Unterhalb des Tiefenbachferners steige ich in den Venter-Panoramaweg ein. Der Name ist Programm. Rundherum nichts als hochalpine Berglandschaft. Beflügelt von der Bezwingung des gefürchteten Pitztaler Jöchels schwebe ich hinab in das Bergsteigerdorf Vent, wo ich in einem kleinen Geschäft, das von Bergschuhen über Zeitungen bis hin zu Lebensmitteln alles verkauft, was man zum Leben braucht, eine Flasche Rotwein erstehe. Sie ist gedacht, morgen an der Fundstelle der Gletschermumie "Ötzi", geköpft zu werden. Dem geographischen, historischen und psychischen Höhepunkt meines Walkabouts.

Nach Besichtigung der archäologischen Stätte "Hohler Stein" suche ich mir auf einer Wiese im Niedertal einen Übernachtungsplatz. Wieder einmal koche ich China-Nudeln und beeile mich mit dem "Abwasch", da das inzwischen schon zur Gewohnheit gewordene Abendgewitter bedrohlich über die Talleitspitze schwappt. Windböen begleiten mich in mein inzwischen sehr liebgewonnenes Zelt und schon fallen schwere Tropfen. Dann bricht das Gewitter in voller Stärke los. Ich genieße das Prasseln des Regens auf dem Zeltdach und falle, dem Schlafdefizit der vergangenen Nacht geschuldet, noch bei Tageslicht schnell in einen tiefen Schlaf, aus dem ich erst gegen 3 Uhr morgens hochschrecke, doch das ist eine andere Geschichte.

Euer Andy!

#karleskopf #pitztalerjöchel #sölden #rosimittermaiertunnel #tiefenbachferner #vent #hohlerstein #niedertal

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